Maximale Höhe: 1108 m
Minimale Höhe: 398 m
Gesamtanstieg: 568 m
Gesamtabstieg: -1020 m
Etappe 22 | Münchner Jakobsweg | Scheidegg – Pfänder – Bregenz
So schön die Scheidegger Pilgerherberge auch ist, so schlecht war meine Nacht. Ich fand die Bettmatratze zu hart. Es fühlte sich für mich so an, als läge ich auf einem Brett. Mein durch Skoliose verformter Rücken konnte keine bequeme Position finden, was mich ziemlich verzweifeln ließ. Entsprechend gerädert stand ich in der Früh auf.
Auf Werners Frage, ob wir gut geschlafen hätten, konnte ich nicht anders antworten als mit der Wahrheit. Dabei hätten die Betreiber der Herberge vor Kurzen neue Matratzen angeschafft, entgegnete der Herbergsvater. Nun ja, die Härte der neuen Matratzen mag den anderen Pilgern genau richtig erscheinen, ich konnte dem aber nichts abgewöhnen. Mir wurde durch diese Erfahrung bewusst, dass ich bis jetzt auf dem Jakobsweg überall sonst gut geschlafen hatte, worüber ich sehr froh sein konnte. Schlechte Nächte würden mir noch zusätzlich zusetzen.
Um acht Uhr versammelten wir uns im Essraum, wo Werner uns ein reichhaltiges Frühstück, garniert mit guter Unterhaltung, servierte. Einige Zeit später packten wir unsere Siebensachen, verewigten uns im Gästebuch und brachen nach einem verwackelten Selfie von uns und Werner auf.
Nach rund dreieinhalb Kilometern erreichten wir die über tausend Jahre alte Ulrichkapelle und machten dort eine kurze Pause. Einen knappen Kilometer später besuchten wir die Kirche von Möggers, die ebenso dem Hl. Ulrich von Augsburg gewidmet ist. Der Ort Möggers war dann vorerst die letzte größere Ansammlung von Wohngebäuden auf dem langen Weg über den Pfänderrücken zu dessen höchstem Punkt.
Der Aufstieg auf den Pfänder war die reinste Qual für mich, und so konnte ich den Endspurt auf dem Münchner Jakobsweg gar nicht so richtig genießen. Die meiste Zeit dachte ich nur daran, was ich alles im Rucksack reduzieren kann und muss. Das Gewicht des Rucksacks hatte mir die Laune ordentlich verhagelt. Auch mein eigenes Körpergewicht sollte ich im Angriff nehmen, dachte ich bei mir. Bereits vor dem Jakobsweg 2019 brachte ich ein paar Kilo zu viel auf die Waage. Im Vergleich zu 2019 waren es 2022 noch mehr. Zwar sind das „nur“ zwei zusätzliche Kilo Pandemiespeck, aber, wenn man bedenkt, dass jedes Kilo das Dreifache für die Gelenke bedeutet, bleiben auch diese zwei Kilo nicht ohne Wirkung.
Nachdem ich beschlossen hatte, welche Dinge ich beim nächsten Mal unbedingt abwerfen würde und mir zusätzlich noch schwor, nicht bei der einen oder anderen Sache schwach zu werden und sie doch noch mitnehmen zu wollen, versuchte ich mit aller Kraft meine Gedanken auf schönere Dinge zu lenken. Das gelang mir mit der Zeit recht gut. Die wunderschönen Aussichten, der erste Blick auf den Bodensee und die erste Sicht auf den Sendemast, der das baldige Erreichen des Gipfels verkündete, hoben meine Stimmung erheblich.
Je näher wir uns dem höchsten Punkt des Pfänders näherten, desto mehr Tagesausflügler kamen uns entgegen. Von Bregenz aus erreicht man den Berg ganz bequem mit der Seilbahn, dementsprechend frisch und fit wirkten die Menschen. Ich dagegen war abgekämpft, verschwitzt und beladen mit schwerer Last. Ich gebe zu, in diesem Zustand hatte ich wenig Lust auf die übliche Grüßerei. Hin und wieder murmelte ich zwar was hin, aber nur halbherzig.
Irgendwann waren wir wieder mal reif für die Pause und da wir unseren Proviant mittlerweile restlos aufgegessen hatten, kam uns das Gasthaus Moosegg gerade recht. Kurzerhand kehrten wir dort ein. Es war ziemlich was los in der in der hellen und freundlichen Gaststube. Zum Glück ergatterten wir noch zwei Plätze in einer Ecke. Der Kaiserschmarrn, den wir kurze Zeit später genießen durften, war ein Traum! Auch mein Handy bekam Futter in Form vom Strom.
Die nette Bedienung fragte uns, ob wir Jakobspilger seien und ob wir vorhätten, den Pfänder zu Fuß abzusteigen. Die erste Frage konnten wir bejahen, die zweite dagegen verneinten wir. Sie wolle uns nämlich vorwarnen, dass der Wanderweg wegen Überflutung momentan gesperrt sei. Wie nett und aufmerksam! Da wir ohnehin die Seilbahn nehmen wollten, änderte sich für uns auch nichts.
Gut gestärkt nahmen wir die letzten paar hundert Meter zur höchsten Stelle am Pfänder in Angriff. Nach einem kurzen Abstecher zur Theresienkapelle erreichten wir endlich die Bergspitze. Müde, aber froh stiegen wir auf die kleine Plattform mit dem Bergkreuz und den wenigen Sitzbänken. Der Anblick des in der Nähe errichteten Sendemastes beeindruckte uns sehr. Nach ein paar Minuten des Innehaltens setzten wir den Weg fort.
Nun ging es bergab zur Bergstation der Pfänderseilbahn. Dort angekommen, bemerkten wir, dass sich auf dem Dach der Bergstation eine Aussichtsplattform befindet. Um sie zu erreichen, mussten wir etliche Stufen einer Metallaußentreppe bewältigen, und obwohl wir nicht damit gerechnet hatten, weitere Höhenmeter aufwärts zu machen, wollten wir uns das natürlich nicht entgehen lassen. Oben angekommen wurden wir mit einem herrlichen Rundumblick belohnt. Auch der Bodensee lag uns zu Füßen. Diesen Augenblick wollten wir gebührend fotografisch festhalten und baten einen jungen Mann, uns zwei Jakobspilgern ein Beweisfoto zu machen.
Nach diesem allerletzten Aufstieg am heutigen Tag ging es für uns nur noch bergab und zwar mit der Pfänderbahn. Unten in Bregenz angekommen, waren es nur noch knappe 900 Meter bis zu unserer Unterkunft. Die Pension Sonne befindet sich in der Fußgängerzone von Bregenz unweit der Uferpromenade des Bodensees. Wir haben hier das günstigste Zimmer mit einem schmalen französischen Bett reserviert. Im Zimmer befand sich ein Waschbecken. Zum Duschen suchten wir die Etagendusche auf. Was den Preis betrifft, zahlten wir hier für die Nacht soviel wie für eine ganze Ferienwohnung im Alpenvorland. Nun, der Bodensee hat eben seinen Preis. Und da konnten wir noch froh sein, was Günstiges für diese Gegend gefunden zu haben.
Martina – die Rezeptionistin der Pension – nahm uns freundlich in Empfang. Sie gratulierte uns zum erfolgreichen Abschluss des Münchner Jakobsweges und gab uns die nötigen Informationen bezüglich unseres Aufenthalts. Da wir wussten, dass auch unsere Pilgerfreundin Bettina hier ein Zimmer gebuchte hatte, fragte ich nach, ob auch sie schon angekommen sei. Ja, sie sei bereits da, war die Antwort. Spätestens morgen beim Frühstück würden wir uns wieder sehen. Für heute Abend war ich wirklich fix und fertig und hatte keine Kapazitäten mehr für intensive soziale Interaktion.
Allerdings mussten wir heute trotzdem noch mal raus, denn der Hunger zwang uns dazu. Frisch geduscht machten wir uns also auf den Weg. Da gerade die Sonne dabei war unterzugehen, schlug ich vor, jetzt noch einen kurzen Abstecher zum See zu machen. Als wir dem Sonnenuntergang am Wasser beiwohnten, dachte ich an all die Jakobspilger, die ihre Pilgerschaft in Fisterra am Atlantischen Ozean beendeten.
Nachdem das Naturspektakel zu Ende war, steuerten wir geradewegs das italienische Lokal Isola Bella an und hofften noch ein Plätzchen für uns zu bekommen. Es war ziemlich voll, sowohl draußen als auch drinnen. Zum Glück fand sich noch ein kleiner Tisch für uns zwei. Wir nahmen Platz. Plötzlich tauchte Bettina an unserem Tisch auf. Sie saß draußen und konnte uns reingehen sehen. Wie der Zufall so will, erwählte sie nicht nur dieselbe Unterkunft, sondern auch dasselbe kulinarische Lokal. Wir verabredeten uns für morgen um halb acht zum Frühstück in der Pension und wünschten uns gegenseitig einen schönen Abend.
Zurück im Zimmer machten wir uns sogleich bettfertig. Da mir mein Schreibstift seit gestern den Dienst verweigerte, konnte ich mein Reisetagebuch nicht weiterführen. Na ja, heute Abend hatte ich eh nicht die Zeit dafür. Da morgen der letzte Tag unserer Fernwanderung sein würde, war das nicht so schlimm. Vielleicht würde es mir morgen gelingen, einen neuen Stift aufzutreiben und abends den heutigen Beitrag nachzuschreiben. Mal sehen.
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