Maximale Höhe: 487 m
Minimale Höhe: 354 m
Gesamtanstieg: 304 m
Gesamtabstieg: -372 m
Stadtbesichtigung | Münchner Jakobsweg | Bregenz – Lindau
Ich konnte lange nicht einschlafen. Es lag nicht am schmalen französischen Bett, sondern an den Gedanken, die mich beschäftigten. Die Erkenntnis, dass ich weder physisch noch mental nicht gerade dafür geschaffen bin, lange Fernwanderungen zu meistern, war sehr bitter für mich. An der körperlichen Fitness lässt sich noch was machen, mein sensibles Wesen kann ich dagegen nicht ablegen oder abhärten. An sich bin ich ein optimistischer Mensch, aber früher oder später stoße ich unweigerlich an meine Grenzen. Na ja, eher früher als später, wohlgemerkt. Ich brauchte lange, die traurigen Gedanken beiseite zu schieben. Endlich schlief ich ein.
Wie vereinbart gingen wir kurz vor halb acht frühstücken und genossen das vielfältige Angebot zusammen mit Bettina an einem Tisch. Sie hatte vor, nach dem Frühstück noch mal kurz Bregenz zu besichtigen, bevor sie den Zug nach Hause nahm.
Nach ein paar Selfies und dicken Umarmungen zum Abschied brach Bettina auf. Die schöne Zeit ging zu Ende. Wir würden uns sicherlich nicht mehr sehen, dachten wir.
Auch andere Gäste der Pension checkten allesamt aus. Wir zwei waren die letzten. Unsere Trödelei wurde jedoch mit einem sehr netten Plausch mit der Empfangsdame belohnt. Und da fasste ich mir ein Herz und fragte sie, ob sie vielleicht einen alten billigen Kugelschreiber entbehren könnte, da meiner den Geist aufgegeben hätte. Ja, natürlich, bejahte sie meine Frage und schenkte mir einen Stift. Nun musste ich heute nicht anderweitig danach suchen und würde heute Abend meine Reisebucheinträge nachschreiben.
Bereits vor ein paar Tagen hatten wir beschlossen, als Belohnung für das Beenden des Münchner Jakobswegs unsere Abreise um einen Tag zu verschieben und die gewonnene Zeit in Lindau zu verbringen. Bevor wir jedoch das Schiff ans andere Ufer des Bodensees nahmen, drehten wir noch eine Runde durch die Bregenzer Altstadt.
Als erstes suchten wir das Haus mit der schmalsten Fassade Europas – nämlich 57 Zentimeter – in der Kirchstraße 29 auf. Danach stiegen wir hinauf zu der Bregenzer Oberstadt mit dem Alten Rathaus und steuerten anschließend die Herz-Jesu-Kirche an, die wir gestern buchstäblich links liegen gelassen hatten.
Als wir die imposante Kirche betraten, stießen wir überraschend auf… Bettina, die gerade mit der Besichtigung fertig war und weiter wollte. Nun verabschiedeten wir uns zum zweiten Mal voneinander.
Wir ließen uns viel Zeit bei der Besichtigung der Kirche. Als ich dann längere Zeit auf einem Stuhl saß, hielt ich inne und dachte an den Münchner Jakobsweg zurück. Eigentlich sollte ich stolz auf mich sein, es geschafft zu haben. Aber so war es nicht. Die Traurigkeit von heute Nacht begleitete mich weiterhin. Ich betete darum, dass sich mein negatives Gefühl ins Positive wandeln möge.
Nun wurde es Zeit, weiter zu gehen. Nach einem Abstecher in die Seekapelle kauften wir beim Bregenzer Milchpilz unweit des Seeufers Proviant für später.
Um an die Seepromenade zu gelangen, müssen Zuggleise überquert werden. Gerade zu dem Zeitpunkt als wir rüber wollten, wurde die Bahnschranke heruntergelassen, also warteten wir geduldig, bis sie wieder hochging. Plötzlich erblickte ich einen Schatten am Boden, der sich uns von hinten näherte und zwischen unseren Köpfen zum Stehen blieb. Es war die Bettina! Anscheinend konnten wir uns doch nicht voneinander trennen. Das war so witzig. Gemeinsam gingen wir ans Ufer und baten jemanden, uns drei ein Erinnerungsfoto zu machen. Der dritte Abschied war dann aber wirklich der endgültige. Bettina ging zu ihrem Zug und wir Richtung Bregenzer Seebühne.
Als wir die Seepromenade entlang schlenderten, vernahm ich ein leichtes Knacken und spürte sogleich, dass mein Rucksack locker saß: Meine Hüftgurtschnalle war geplatzt! Sie wurde aus einem spröderen Kunststoff gefertigt und brach zum Schluss. Ab diesem Zeitpunkt musste ich die zwei Gurtenden bei jedem Ab- und Absatteln des Rucksacks mühsam auf- und zusammenbinden. Trotz der ganzen Mühe saß der Rucksack dann natürlich nicht mehr gut. Ich war froh, dass das erst zum Ende unserer Wanderung passiert ist und nicht schon viel früher, als wir noch kräftig am Marschieren waren. Und auf diese Weise wandelte sich meine traurige Stimmung in Erleichterung und Dankbarkeit um. Meine Bitte um bessere Laune wurde erhört. Ich nahm das Ganze als Zeichen, dass es für uns Zeit war nach Hause zu fahren.
Es dauerte nicht lange und wir kehrten um, um zurück zum Hafen zu gelangen. Ein Radfahrer fragte uns im Vorbeifahren, ob wir hin nach Santiago de Compostela unterwegs seien oder bereits auf dem Heimweg. Ich rief ihm die entsprechende Antwort noch schnell hinterher. Solche Begegnungen – sollten sie noch so kurz sein – sind wirklich schön. Man spürt dabei die Dazugehörigkeit zu einer größeren Jakobspilgerscharr.
Die Schifffahrt von Bregenz zur Lindau-Insel war das nächste Highlight des Tages. Beim schönsten Wetter und weiten Ausblicken verflog die Zeit wie im Fluge und wir erblickten alsbald die beiden Wahrzeichen des Lindauer Hafens: den Neuen Leuchtturm und den Bayerischen Löwen.
Auf unserem Rundgang durch die Gassen der Lindauer Altstadt durften zwei Punkte nicht fehlen: die Besichtigung des prächtigen Münsters Unserer Lieben Frau und ein Blick auf die Fassade des Alten Rathauses.
So schön Lindau auch ist, bereitete der Spaziergang mir große Mühe. Ich spürte in der Ferse des linken Fußes einen tiefsitzenden Schmerz. Das Auftreten mit dem Fuß auf dem Boden wurde allmählich zur Qual. Diese Art von Schmerz war neu für mich und ich konnte ihn daher nicht einschätzen.
Langsam und ohne weitere Umwege schauten wir zu, dass wir unsere heutige Unterkunft – das Westküste-Hostel – endlich erreichen. Für mich war klar, dass ich mich nach dem Einchecken nicht mehr vom Fleck rühren würde, den Gang zum Supermarkt musste ich daher delegieren. Meine Aufgabe für heute Abend war das Buchen der Zugtickets für morgen. Eine gute Arbeitsteilung, wie ich fand. Außerdem holte ich – mangels eines Tisches auf dem Knie schreibend – meinen gestrigen Reisebucheitrag nach und schrieb die heutigen Ereignisse in einer Kurzversion nieder.
Müde aber froh fielen wir beide in die Betten und waren gespannt, wie sich die heutige Nacht in unmittelbarer Nähe der Zuggleise gestalten wird.
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