Maximale Höhe: 854 m
Minimale Höhe: 776 m
Gesamtanstieg: 212 m
Gesamtabstieg: -202 m
Etappe 16 | Münchner Jakobsweg | Marktoberdorf – Osterberg
Die Nacht im Marktoberdorfer Pilgerquartier war sehr erholsam. Da wir vor drei Jahren schon mal hier übernachtet hatten, war uns alles vertraut. Wir fühlten uns fast wie zu Hause. Dazu kam, dass wir die einzigen Gäste an diesem Tag waren. Das fanden wir nicht schlecht, nicht zuletzt der kleinen Gemeinschaftsküche wegen, an deren Küchentisch kaum mehr als zwei bis drei Personen Platz finden. Auch das gemeinsame Badezimmer mussten wir nicht mit anderen teilen.
Helga hat für ein sehr vielfältiges Frühstück gesorgt: Alles wartete bereits auf dem Küchentisch auf uns. Da Selbstbedienung in den Pilgerherbergen obligatorisch ist, kochten wir uns den Tee selber. Das Abspülen des von uns benutzten Geschirrs überließ ich meinem Spross, denn ich konnte mich auf eine gewissenhafte Erledigung dieser Aufgabe verlassen.
Nachdem wir gepackt und uns im Gästebuch verewigt hatten, verabschiedeten wir uns herzlich von Helga, die uns noch zum Abschied mit meinem Smartphone fotografierte.
Nun wurde es ernst für uns zwei. Höchste Zeit, den Jakobsweg in Angriff zu nehmen.
Am Ortsausgang von Marktoberdorf breitete sich in der Ferne ein herrliches Bergpanorama von unseren Augen. Die blauen Silhouetten der Berge am Horizont und die Kühe auf den grünen Wiesen zeigten uns, dass wir endlich wieder in den Genuss des Voralpenlandes gekommen waren.
In Thalhofen an der Wertach besuchten wir die St. Martin-Kirche. Diese kleine, typisch bayerische Dorfkirche gefiel mir sehr und erinnerte mich mit ihrer Innenausstattung an die Vohburger Pfarrkirche St. Peter.
An einem Gewerbegebiet vorbei, wo wir versehentlich eine Straßenunterführung zu früh nahmen und wieder umkehren mussten, ging es weiter Richtung Geisenried.
Vor Geisenried besuchten wir eine Wegkapelle, deren Entstehungsgeschichte hier nachzulesen wäre. Da Domi sich bis jetzt erfolgreich weigerte, ein Smartphone zu besitzen und nur ein kleines Handy zum Telefonieren oder SMS schreiben mit sich führte, wollte er mit meinen Smartphone Fotos von der Kapelle schießen. Beim ungeschickten Hantieren mit den Wanderstöcken fiel Domi mein Handy aus der Hand und schlug mit einem Knall ausgerechnet auf die Steinschwelle der Kapelle. Zehn Zentimeter weiter wäre es sanft auf dem Gras gelandet. Aber nein! Es musste ein harter Untergrund sein! Eine Schrecksekunde. Zum Glück ist mein Handy heil geblieben. Nicht mal ein Kratzer auf dem Display war zu sehen. Wieder einmal Schwein gehabt. Es war das einzige Smartphone, das wir mit hatten.
Pilgern ohne Smartphone? Heutzutage nicht auszudenken! Möglich schon, aber kompliziert. Es kann nicht sein, dass nur ich ein Smartphone mit zum Jakobsweg nehme und wir beide da dran hängen. Nächstes Mal sollte jeder von uns mit einem Smartphone ausgestattet sein, zumal es Domis Aufgabe ist, die Wegführung zu überprüfen, wenn wir uns mal im Gelände nicht sicher sind.
Es hat einige Zeit gedauert, bis ich mich von dem Schrecken erholt hatte.
Mittlerweile erreichten wir die Geisenrieder Kirche St. Alban. Die ursprünglich barocke Ausstattung ist teilweise noch erhalten. Das Hauptaltar und die zwei Seitenaltäre wurden jedoch im neugotischen Stil errichtet und bestechen mit einfacher Schönheit.
Nachdem wir Geisenried hinter uns gelassen hatten, führte der Jakobsweg uns leicht ansteigend durch die grüne Landschaft. Alsbald stießen wir auf ein Wegkreuz, neben dem sich – wie so oft – eine Sitzbank befand. Die Gelegenheit, eine Pause zu machen, ließen wir uns natürlich nicht nehmen. Von der leichten Anhöhe aus überblickten wir die Weite und dachten über den bereits 2019 zurückgelegten Weg nach.
Vorbei an einem Ensemble von drei Hochsitzen ging es für uns weiter Richtung Osterberg. Da wir heute eine recht kurze Strecke und noch genug Zeit bis zum Einchecken hatten, kehrten wir beim Höllbauer in das Freiluftcafé ein. Domi bestellte einen Eiskaffee. Ich kam in den Genuss des Sanften Engels, was ein Orangensaft mit einer Kugel Vanilleeis ist.
Als wir nach dem Bezahlen und Aufsatteln der Rucksäcke im Begriff waren weiterzugehen, sprach uns plötzlich eine Cafébesucherin aus einer Gruppe von vier Frauen am Nachbartisch an. Sie fragte, ob wir Jakobspilger wären und wohin wir gingen. Sie selber wäre ein Stück des Münchner Jakobsweges gegangen, allerdings sozusagen rückwärts. Eine „Antipilgerin“ also, wie auch wir von Vohburg nach Regensburg.
Wir beantworteten ihre Fragen gerne und bekamen zum Schluss ein „Buen Camino“ zu hören, unser erstes auf diesem Weg. Wie schön!
Das Anwesen der Familie Breckle, von deren zwei Ferienwohnungen wir eine für eine Nacht buchen konnten, liegt einen Steinwurf von der Gaststätte „Beim Höllbauer“ entfernt. Als erstes erblickten wir eine große Baustelle, auf der gerade ein mächtiger Bagger zugange war. Frau Breckle nahm uns sogleich im Garten in Empfang, drückte uns eine Handvoll frisch geernteter Mirabellen in die Hand und führte uns zur Ferienwohnung. Da die Ferienwohnung über zwei Schlafzimmer verfügte und in jedem Zimmer jeweils nur ein Bett bezogen wurde, hatten wir in der kommenden Nacht den Luxus der eigenen Zimmer!
Gestern bei der Buchung bot uns unsere Gastgeberin ein warmes Essen für den heutigen Abend an. Dankbar nahmen wir das Angebot an. Und so tauchten wir später am Abend zur vereinbarten Stunde in der Küche der Familie auf. Nur Frau Breckle leistete uns beim Essen Gesellschaft und erzählte uns, sie hätte vollkommen vergessen, dass sie morgen alle auf die Reise gingen und zwar nach New York! Sie verriet uns, dass ihre Schwester diese Reise von der Familie zum sechzigsten Geburtstag geschenkt bekommen hätte und sie zu neunt vom Frankfurter Flughafen dahin flögen. Sie müsse auch noch packen.
Anscheinend war ihr vor lauter Baustelle, Bauernhof und Feriengäste dieses Vorhaben komplett entfallen. Upps. Da dachte ich nur: Oh, wir sollten schnell essen, keine langen Gespräche führen und morgen sehr zeitig aufbrechen.
Als Landwirte hatten sie ja noch genug um die Ohren, auch ohne uns. Wir für unseren Teil waren heilfroh, dass wir gerade noch für die eine Nacht untergekommen waren, bevor sie in den Urlaub gingen.
Später am Abend konnten wir beobachten, wie sie noch schnell mit einem Trecker die auf der Wiese verstreuten Heuballen einsammelten. Ja, so ein Bauernhof ist kein Zuckerschlecken. Außer für die Kinder. Für sie ist es ein Abenteuerspielplatz, möchte ich behaupten. Von der Terrasse aus konnten wir einen kleinen Jungen – vermutlich Frau Breckles Enkelkind – sehen, wie er vergnüglich und voller Energie mit einem kleinen Crossbike die Wiese hinterm Haus lautstark auf- und abfuhr. Wie hätte ich mir solche Möglichkeiten als Kind gewünscht! Ich gebe offen zu: Ich beneidete den Kleinen sehr.
Wegen der Baustelle hatte die Familie kein Internet, was für uns kein WLAN bedeutete. Dafür beehrte uns ihre süße Katze mit einem Besuch. Kein schlechter Tausch, wie ich finde.
Und jetzt noch eine kleine Anekdote zum Schluss: Wegen der Viehhaltung auf dem Bauernhof der Gastfamilie wurden sämtliche Fenster der Ferienwohnung mit Fliegennetzen ausgestattet. Um auf die Terrasse zu gelangen, musste man also die Terrassentür selbst und zusätzlich noch die Fliegennetztür öffnen. Das übersah Domi und lief gegen das Netz. Die Beteiligten an diesem abendlichen Auffahrunfall blieben glücklicherweise unbeschadet, unsere Lachmuskeln bekamen allerdings einiges ab.
Am nächsten Tag sollten wir uns um 7 Uhr zum Frühstück in der Familienküche einfinden. Es wurde uns angeboten, Proviant mitzunehmen. Zum Glück! Auf diese Weise erübrigte sich in Oberthingau die Suche nach etwas Essbarem. Ich glaube, es gäbe eh nichts zu finden. Mit den Einkaufsmöglichkeiten sieht es dort nämlich ziemlich düster aus. Und das weiß unsere Gastgeberin natürlich. Daher ihr netter Vorschlag mit dem Proviant.
Nach einer nervaufreibenden Unterkunftssuche für die nächsten zwei Nächte legten wir uns schlafen. Morgen erwartete uns der Kempter Wald und damit ein anstrengender Tag.
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