Pause | Münchner Jakobsweg | Kempten
Für den heutigen Samstag hatten wir einen „Ruhetag“ in Kempten geplant. Ich setze den Begriff bewusst in Anführungszeichen, weil von Ruhe an diesem Tag keine Rede sein konnte. Wir hatten zwar nicht vor, die nächste Etappe auf dem Jakobsweg zurückzulegen – sie müsste bis morgen warten -, trotzdem verbrachten wir die Zeit nicht untätig auf unseren zugegebenermaßen sehr bequemen Betten in unserem Zimmer. Im Gegenteil: Wir hatten ein volles Programm.
Da der gestrige Marsch durch den Kempter Wald sehr anstrengend für uns war und wir in Kempten zwei Nächte hintereinander in der gleichen Unterkunft verbringen würden, hatten wir für heute einen größeren Waschtag geplant. Die gewaschene Wäsche konnte ungestört im Zimmer vor sich hin trocknen, während wir die größte Stadt im Allgäu erkunden würden.
An dieser Stelle möchte ich ein wenig auf den zum Teil herausfordernden Umgang mit dem Waschbecken eingehen. Wie gesagt, das Zimmer samt Badezimmer wurde modern eingerichtet. Das Design des Waschbeckens war zweifellos optisch sehr ansprechend, nur litt meiner Meinung nach leider die Funktionalität etwas darunter. Das Becken war nämlich relativ flach. Diese Tatsache stellte an sich noch kein Problem dar, obwohl das Wäschewaschen dadurch nicht gerade erleichtert würde. Viel mehr war das Zusammenspiel des Waschbeckens und des Wasserhahns unzureichend aufeinander abgestimmt. Der Einhebelmischer ließ sich nicht ohne Weiteres sanft betätigen, sondern ging sozusagen von Null auf Hundert in 0,1 Sekunden. Das hatte zur Folge, dass der plötzlich starke Wasserstrahl jedes Mal vom Waschbeckenboden abprallte und mit einem Schwung rechts und links über den Beckenrand auf den Badezimmerboden schwappte. Na sauber! Das „Wasser-laufen-lassen“ musste mit der nötigen Geduld und Ausdauer geübt werden. War man etwas energischer zugange gewesen, war prompt das Ergebnis auf dem Badezimmerboden zu sehen. Und da wir die Unterkünfte immer ordentlich hinterlassen wollen, hatten wir viel „Spaß“ beim Trocknen des Bodens.
Was das Wetter betrifft, sollte es heute regnen. Das störte uns nicht sonderlich. Lieber heute als gestern im Kempter Wald, würde ich sagen. Ich konnte mir vorstellen, dass der Biergarten vor unserem Fenster wegen des ungünstigen Wetters geschlossen bleiben würde. Keine schlechte Aussicht für den heutigen Abend. Na ja, zu früh gefreut, wie sich später herausstellen sollte.
Zum Frühstücken ging es für uns einmal über die Straße zur Bäckerei „Hamma“ mit ihrem großzügigen Cafébereich. Dort versorgten wir uns mit belegten Stangen, Latte macchiato und heißer Schokolade. Wir ließen uns richtig Zeit beim Essen, planten die nächsten Übernachtungen und tätigten dafür ein paar Anrufe. Die nächsten zwei Nächte nach Kempten waren nach einer Weile gesichert. Das entspannte uns ungemein. Guter Laune und Zuversicht brachen wir auf, Kempten zu erkunden.
Als Erstes steuerten wir die Kempter Residenz an. Da es gerade wieder regnete und die Passanten sich zum Schutz vorm Regen überall wo es nur ging unterstellten, verpassten wir zunächst den Eingang. Nach Herumirren und Nachfragen fanden wir ihn schließlich.
Leider durften wir das Gebäude nicht sofort betreten, weil die Eingangstür nur zu bestimmten Zeiten geöffnet wurde. Im Übrigen wurde der Einlass ausschließlich Besucherinnen und Besucher der Prunkräume gewährt. Also warteten wir in einer Menschentraube vor dem Eingang, bis es soweit war. Schließlich wurden wir hineingelassen. In einer Gruppe von etwa zwanzig Personen bestaunten wir während der kurzweiligen Führung die Pracht der Räumlichkeiten. Die Ausgestaltung der Prunkräume im Stil des frühen bayerischen Rokoko beeindruckte mich sehr.
Die Führung dauerte etwa vierzig Minuten. Unsere sehr kompetente und etwas streng wirkende Führerin legte uns allen den Besuch des neuen Kempten-Museums im Zumsteinhaus ans Herz. Das wollten wir uns beide natürlich nicht entgehen lassen. Bevor wir jedoch das Museum aufsuchten, statteten wir der wunderschönen Basilika St. Lorenz einen Besuch ab, wo wir uns auch Pilgerstempel für unsere Pilgerausweise holten.
Auf der Freifläche zwischen der Basilika, der Residenz und dem Brunnen am Hildegardplatz findet zweimal wöchentlich der Wochenmarkt statt. So auch am heutigen Samstag. Das Angebot an regionalen Spezialitäten war sehr verlockend. Also kaufte ich mir ein Paar Rauchpeitschen, eine Art herzhafter mittelgrober Rohwurst, die auch gern gekocht verzehrt werden kann und eine Breze dazu. Domi hatte zu diesem Zeitpunkt noch keinen Hunger und visierte für später ohnehin was anderes an. Nun gut. So sei es. Ich war froh, eine gute kulinarische Unterlage zu haben, die mich beim – dann doch längeren – Museumsbesuch am Leben hielt.
Das Kempten-Museum im Zumsteinhaus wurde 2020 zum besten Heimatmuseum Deutschlands gekürt. Das Museum ist sehr gut konzipiert, multimedial und interaktiv. Meíne Highlights waren unter anderem: das Glockenspiel, bei dem man per Knopfdruck die Audiodatei der gewünschten Kirchenglocke abspielen und so seine eigene Klangabfolge kreieren konnte, das Anprobieren der Holzclogs und ganz besonders ein Film, in dem Kempterinnen und Kempter in ihren eigenen Wohnzimmern porträtiert wurden. Die gewährten Einblicke ins Private fand ich höchst spannend, weil sich auch auf diese Weise unsere menschliche Vielfalt offenbart.
Auf dem Jakobsweg hatten wir auch schon die Möglichkeit, einen kleinen Einblick in das Leben und die Wohnstätten der pilgerfreundlichen Menschen zu bekommen. Das finde ich sehr interessant und inspirierend. Die Schlafmöglichkeiten auf dem Jakobsweg sind ein Potpourri aus Hotels, Gasthöfen, Ferienwohnungen, Herbergen und eben auch Privatzimmern. Diese Abwechslung liebe ich sehr.
Der Museumsbesuch ließ meinen Spross dann doch noch hungrig werden. Also machten wir uns auf den Weg Richtung Rathaus, in dessen Nähe wir das „Rathaus Kebab“ für eine Pause wählten. Nach der Stärkung mit köstlichem Lahmacun gingen wir weiter durch die Altstadt zur Kirche St. Mang.
In dieser freundlich hellen Kirche zogen insbesondere die Holzboxen im Seitenbereich der Kirche meine Aufmerksamkeit auf sich. Diese Konstruktion fand ich ziemlich seltsam und gleichzeitig sehr amüsant. Sieht man nicht alle Tage. Es würde mich interessieren, wie ihre Nutzung aussieht. Neben dem Schnitzaltar fand ich die „Stille Ecke“ sehr ansprechend.
Da sich der Himmel wieder mit grauen Wolken zuzog und später sogar ein paar Regentropfen runter ließ, machten wir nur noch einen kurzen Abstecher zu der St.-Mang-Brücke, um die sandfarbene Iller in den Augenschein zu nehmen.
Das Wetter wurde allmählich ungemütlich. Das veranlasste uns dazu, uns auf den Rückweg zu machen. Nach einem Einkauf im Supermarkt, wo wir uns mit Lebensmittel für den Abend und das morgige Frühstück eingedeckt hatten, gingen wir zurück zu unserer Unterkunft in der „Alten Schmiede“.
Den Abend verbrachten wir entspannt auf den gemütlichen Betten. Domi chattete mit ein paar Freunden und lachte immer wieder herzhaft auf. Die Pilgerheiterkeit – wie ich den Zustand der schnell zu erreichenden Heiterkeit auf dem Jakobsweg nenne – machte sich breit. Wie schön!
Wie erwartet, blieb der Biergarten vor unserem Fenster wetterbedingt geschlossen. Dafür kamen wir in den Genuss von Live-Musik, die aus dem Restaurant im Erdgeschoss zu uns drang. Ich war gespannt, wie lange wir heute Nacht gezwungen sein würden, akustisch mitzufeiern.
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