Maximale Höhe: 939 m
Minimale Höhe: 760 m
Gesamtanstieg: 429 m
Gesamtabstieg: -495 m
Etappe 12 | Münchner Jakobsweg | Rottenbuch – Wildsteig – Wies – Steingaden
Das Frühstück in der Pension „Martina’s Place“ in Rottenbuch war ein Traum. Es gab eine sehr gute Auswahl an Wurst-, Käse- und Brotsorten, die ansprechend mit verschiedenen Gemüse- und Obststückchen garniert wurden. Als Nachtisch gab es für jeden einen guten Fruchtjoghurt.
Wir belegten eines der beiden Doppelzimmer im Erdgeschoß. Das gemeinsame Bad am Ende des Flurs teilten wir uns mit unseren Zimmernachbarn, einen Paar aus Celle, mit denen wir nach dem Frühstück ein wenig plauschten und erfuhren, dass sie mit Motorrädern auf der Durchreise zum Gardasee waren. Zum Schluss wünschten wir uns alle gegenseitig eine gute Weiterfahrt bzw. Wanderung.
Kurz darauf verließen wir die wunderschöne Unterkunft. Da die ehemalige Stiftkirche des Klosters Rottenbuch und jetzige römisch-katholische Pfarrkirche Mariä Geburt nur ein Katzensprung von der Pension entfernt ist, erreichten wir sie in wenigen Minuten. Die Kirche ist ein absoluter Augenschmaus, ein Highlight gleich zu Beginn unseres heutigen Jakobsweges. Und es gab natürlich wieder einen Stempel für unsere Pilgerausweise.
Bevor wir uns so „richtig“ auf den heutigen Weg machten, steuerten wir als nächstes die Poststelle in Rottenbuch an. Mein lieber Dominik kauft in jeder Kirche einen Kirchenführer, wodurch nun mal im Laufe der Zeit das mitgeschleppte Gewicht steigt, also schlug ich vor, die „gesammelten Werke“ per Post nach Hause zu schicken.
Der Münchner Jakobsweg von Rottenbuch nach Wildsteig wartete mit herrlichen Landschaften auf: mit einer Hügellandschaft mit saftigem Grün, einer Moorlandschaft mit ihrer spezifischen Vegetation und nach einem Regentag würzig duftenden Wald.
Die Pfarrkirche St. Jakobus in Wildsteig thront auf einem hohen Hügel, der erstmal erklommen werden möchte. Zum Glück wurde zu diesem Zwecke eine neue, bequeme Steinstufentreppe mit einem Metallgeländer errichtet. Auf dem Weg nach oben begegneten uns süße beige- und braungefleckte Schafe, die den mit Gras bewachsenen Hügel in ihrer Funktion als natürliche Rasenmäher sehr akkurat pflegten. In St. Jakobus holten wir uns natürlich wieder die Pilgerstempel ab.
An der Dreifaltigkeitskapelle im Wildsteiger Ortsteil Holz kurz vor dem Illachmoos machten wir einen kurzen Halt, um ins Innere zu schauen. Die Architektur dieses kleinen Sakralbaus gefiel meinem Sohn sehr. Wenn er könnte, würde er am liebsten eines Tages selber eine Kapelle dieser Art errichten.
Die Moorlandschaft fanden wir sehr interessant. Auf einer riesigen Feuchtwiese sahen wir einem Landwirt zu, wie er die Wiese mit einem Hand-Rasenmäher abmähte. Es ist wahrscheinlich nicht möglich, solche Feuchtwiesen mit schwerem Gerät zu befahren. Und so bleibt einem nichts anderes übrig, als alles in mühevoller Arbeit selbst zu pflegen.
Im Wald, den wir auf dem Weg zur berühmten Wieskirche durchquerten, fanden wir 3-4 Sitzbänke und einen überdachten Sitz. Toll! Da denkt man an die Wanderer und Pilger. Danke!
Endlich erreichten wir die prächtige Wallfahrtskirche zum Gegeißeltem Heiland, kurz „Die Wies“ genannt. Im Jahr 1983 wurde sie zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Eine wahre Perle unter den Kirchen auf dem Münchner Jakobsweg! Die Wies zieht nicht nur Gläubige, Pilger und Wanderer an, sondern auch jede Menge Touristen aus der ganzen Welt. Die Kirche ist wahrlich zu einem touristischen Hotspot geworden. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite findet man Gastronomie und Souvenirläden.
Das Innere der Wallfahrtskirche versetzt den Besucher ins Staunen. Die überbordende Pracht des Rokoko-Stils ist kaum zu überbieten. Alle Barock- und Rokokoliebhaber kommen hier voll auf ihre Kosten. Ich war von der Schönheit dieser Kirche jedenfalls überwältigt und restlos begeistert. Auch in den Gesichtern der vielen Touristen, die wir anhand der Sprache als japanisch identifiziert hatten, spiegelte sich Bewunderung und Erstaunen wider. Der Besuch dieser Kirche ist – neben der Besichtigung des Märchenschlosses Neuschwanstein, das ca. 25 Autominuten von hier entfernt ist – offenbar ein absolutes Muss für die fernöstlichen Besucher.
Heute jagt ein Hightlight das nächste. Es ist einfach Wahnsinn! Der Brettleweg von der Wieskirche nach Steingaden ist ein wahres Naturerlebnis. Da es gestern Dauerregen gab, war der Waldweg matschig. Später ging es auf langen Holzbrettern über das Moor. Man sollte darauf achten, dass sich niemand sonst auf einem Brett befindet, wenn man selber gerade darauf steht. Die Bretter geben beim Gehen nach und werden dabei regelrecht überflutet. Man muss aufpassen, wenn man keine nassen Füße bekommen möchte. Eins steht fest: beim Regen möchte ich hier lieber nicht unterwegs sein. Die Rutschgefahr wäre einfach zu hoch. Wir sind für das heutige gute Wanderwetter unheimlich dankbar!
Später im Wald stießen wir auf eine „Versorgungsstation“ für Pilger und andere Wanderleute. Es gab Wanderstöcke zuhauf und einen Getränkekasten. Alles auf Spendenbasis. Toll!
In Steingaden angekommen, mussten wir leider feststellen, dass das Welfenmünster wegen Renovierungsarbeiten geschlossen war. Schade. Später fand ich heraus, dass die feierliche Wiedereröffnung und die Altarweihe nur einen Monat später im Oktober 2019 stattfand. Unter diesem Beitrag steht ein Link zu einem kurzen Film über diesen Festakt.
Da wir in Steingaden sonst nichts anderes besichtigen konnten, steuerten wir direkt den Gasthof Graf an, in dem wir ein Doppelzimmer mit Etagendusche gebucht hatten. Der Gasthof wurde offenbar vor nicht allzu langer Zeit renoviert. Sein rustikales und dennoch modern wirkendes Ambiente ist sehr ansprechend. Wie gern hätten wir heute hier zu Abend gegessen. Leider erwischten wir den Ruhetag.
Und so machten wir uns auf den Weg ins Ortszentrum. Obwohl es in Steingaden nicht wenige Möglichkeiten gibt, gut zu speisen, standen wir an diesem Dienstag vor vielen verschlossenen Türen. Unsere Rettung war schließlich die Klosterschänke, in der unter anderem Pizza und Flammkuchen serviert wurde. Bei guter Musik ließen wir es uns gut gehen und den wunderschönen Pilgertag Revue passieren.
Heute hatten wir nicht nur einige nette menschliche Begegnungen, sondern auch tierische.
Da wären neben der allgegenwärtigen Kühe: die süßen Schafe in Wildsteig, eine kleine Schlange am Wegesrand oder eine Schnecke, die direkt vor meinen Augen einen Pilz „gefällt“ hatte, wie ein Holzfäller einen Baum. Die schönste tierische Begegnung war jedoch ein Grauhörnchen, das mit drei Haselnüssen zwischen den Zähnen auf einem Waldweg eilig an uns vorbei lief. Herzallerliebst!
Die tägliche Anstrengung des Pilgerns macht sich bei uns bemerkbar. Damit meine ich nicht nur den Muskelkater oder mal Blasen an den Füßen, die man bekommen kann, sondern eine Auswirkung auf der neurologischen Ebene. Genauer gesagt auf die Sprache. Das tägliche Wandern fordert von uns so viel Energie, dass irgendwo an einer anderen Stelle ein Defizit entsteht. Bei mir geht abends zum Beispiel gerne mal die Grammatik und die Rechtschreibung flöten, wenn ich die Erlebnisse des Tages in meinem Tagebuch niederschreibe. Oder auch Probleme mit dem Wortschatz. Immer wieder kommt es nämlich vor, dass wir die Wörter vertauschen.
Daraus entstehen sehr lustige Situationen. Wie einmal beim Frühstück. Ich sagte einer Tages zum Dominik: „Nimm die Tomaten“, während ich auf die Äpfel zeigte. Er korrigierte mich prompt: „Das sind Bananen!“. Zuerst dachte ich, Dominik veräppelt mich gerade. Aber nein! Er war vollen Ernstes davon überzeugt, damit richtig zu liegen.
Es kommt mir vor, als ob man bei einer tagelangen Wanderung nicht nur Blasen an der Füßen bekommen kann, sondern auch welche im Gehirn. Irre!
Erst einige Zeit nach unserer Rückkehr, kam ich darauf, dass wir nächstes Mal auf dem Jakobsweg hin und wieder einen Ruhetag einlegen sollten. Jetzt aber waren wir dermaßen auf das Weitergehen fixiert, dass wir nicht auf die Idee kamen.
Eins steht fest: nächstes Mal machen wir es besser!
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