Maximale Höhe: 1100 m
Minimale Höhe: 728 m
Gesamtanstieg: 467 m
Gesamtabstieg: -575 m
Etappe 14 | Münchner Jakobsweg | Bernbeuren – Stötten am Auerberg
Wir haben es geschafft! Die Nacht in der Kammer des Schreckens beim Doldewirt in Bernbeuren ist rum. Gestern Abend hatte es mich ein bisschen gefröstelt, was die Wahrscheinlichkeit einer Erkältung nur noch erhöhte. Leider verhieß die Wettervorhersage auch nichts Gutes: Drei Tage Regen! Das ist wenig förderlich, wenn man gerne gesund bleiben möchte. Wir werden sehen, wie es weiterläuft.
Da wir gestern Abend bereits auf das Abendessen verzichtet hatten und sämtliche Läden und Bäcker in unserer Reichweite gerade im Urlaub sind, entschieden wir uns trotz unserer Bedenken, es mit dem angebotenen Frühstück zu versuchen. Da kann man doch nicht so viel falsch machen, war unsere Hoffnung.
Als wir den Frühstücksraum des Doldewirts betraten, bot sich uns kein schöner Anblick. Der Raum glich eher einer dunklen Garage mit einem Riesenvorhang vor dem Garagentor als einem Raum, in dem man eine Mahlzeit zu sich nehmen möchte. Nun ja, was haben wir nach den gestrigen Eindrücken schon erwartet?
Dort fanden wir eine sechs Mann starke Bikergruppe vor, die unserem Guten-Morgen-Gruß nichts entgegnete, und die der Sprache nach zu urteilen aus Tschechien kam. Wenig später betraten zwei höflich grüßende Frauen um die 30 das „Etablissement“. Zum Glück gibt es auf der Welt auch höfliche Menschen.
Um keine Lebensmittelvergiftung zu riskieren, beschränkten wir uns beim Frühstück auf die kleinen abgepackten und lange haltbaren Lebensmittel wie Butter, Honig oder Käse. Die Wurst haben wir sicherheitshalber links liegen lassen. Zum Schluss wollte ich mich noch beim Obstteller bedienen und einen oder zwei Äpfel als Proviant mitnehmen. Was ich vorfand, waren bereits braun werdende Bananen und alte, verschrumpelte Äpfel. Nein, danke. Wie kann man nur so respektlos mit den Gästen umgehen und ihnen sowas überhaupt anbieten, fragte ich mich. Nur schnell raus hier, rette sich wer kann.
Des Regens wegen fuhren wir heute volle Geschütze in Form von Schutzhüllen für die Rucksäcke, Windbreaker und Ponchos auf. Das war auch bitter nötig, besonders am Nachmittag. Am Vormittag regnete es noch nicht so stark, dennoch war die Dauerberieselung nervig. Besonders, wenn man versucht einen Pilgerstempel in den Pilgerausweis rein zu bekommen, ohne dabei den Ausweis zu zerstören. Denn in Bernbeuren befand sich der Pilgerstempel nicht im geschützten Innenraum der Kirche, sondern in einem kleinen Kästchen im Freien. Bei schlechtem Wetter muss man sich schon arg verrenken, um den Ausweis und die bereits bekommenen Stempel nicht dem Regenwasser auszusetzen. Na, viel Spaß dabei!
Heute ging es auf den Auerberg, auf dem sich neben einer Kirche auch ein Wirtshaus befindet. Wegen der Nässe entschieden wir uns für den asphaltierten Weg. Es ging gut voran. Schade nur, dass wegen des regnerischen Wetters die ansonsten schöne Aussicht nicht zur Geltung kam.
Da wir heute in einer privaten Unterkunft übernachten wollten und wir unsere Gastgeberin erst um 17 Uhr aufsuchen können würden, bedeutete das für uns, dass wir viel Zeit zum Überbrücken hatten. Also machten wir es uns in dem sehr angenehmen Panorama-Restaurant und Café auf dem Auerberg gemütlich.
Hier gab es gutes WLAN und die heiße Schokolade zum Aufwärmen war ein Gedicht. Später bestellte Dominik einen Teller Spätzle und ich eine Gulaschsuppe. Die Zeit bis zum Abstieg nutzte ich für einen Tagebucheintrag.
Während wir dort saßen und die nette Atmosphäre des Restaurants genossen, tauchte eine Gruppe von sechs bis acht Personen auf, darunter mehrere kleine Kinder. Die Gruppe ließ sich zwei Tische weiter nieder. So weit, so gut. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass sich Kinder an Orten mit wenig Unterhaltungswert sehr schnell langweilen. Als Erwachsener muss man dann selber dafür sorgen, die Kinder entsprechend zu beschäftigen. Das tut man nicht nur für die Kinder, sondern auch im eigenen Interesse und darüber hinaus auch aus Rücksicht auf sonstige Anwesende.
Den Erwachsenen in der besagten Gruppe war jedoch die eigene Unterhaltung sehr viel wichtiger als die Bedürfnisse ihrer Kinder. Nach relativ kurzer Zeit ging es dann entsprechend zu: Die Kinder kämpften lautstark und seeehr ausdauernd um die Aufmerksamkeit der Eltern. Diese wiederrum ignorierten die Rufe ihrer Sprösslinge – zum großen Ärger anderer Gäste – völlig.
Nach einer gewissen Zeit eskalierte die Lage. Einer der beiden älteren Damen am Nachbartisch platzte der Kragen. Sie stand auf, ging zu der lärmenden Horde hin und beschwerte sich über den unerträglichen Lärm. Recht so. Was zu viel ist, ist zu viel. Auch die Bedienung wurde auf diesen unhaltbaren Zustand hingewiesen. Schließlich befanden sich auch noch andere Gäste im Raum.
Irgendwann kam die Zeit, den Abstieg in Angriff zu nehmen, doch zuvor besuchten wir natürlich noch die Kirche St. Georg auf dem Auerberg und stempelten unsere Pilgerausweise ab. Dann ging es den schmalen matschigen Pfad herunter. Hin und wieder kamen wir ein wenig ins Rutschen. Einer meiner Stöcke kam plötzlich auf die sehr schlechte Idee, sich zusammenfalten zu wollen. Zum Glück behielt ich das Gleichgewicht. Boah, noch mal Glück gehabt. Im Schlamm zu landen wäre semi-optimal.
Später ging es für uns zwei Rotkäppchen – wie uns meine daheim gebliebene Tochter Chantal aufgrund unserer Regencapes nannte – durch einen dunklen Wald. Anschließend führte ein schmaler Pfad uns quer über eine Wiese zur Asphaltstraße. Wir konnten aufatmen, die Rutschgefahr war gebannt. Dafür begann es, heftigst zu schütten. Ich hatte Sorge, dass der Inhalt der Rucksäcke trotz des ganzen Regenschutzes was abkriegt. Es half nichts, da mussten wir jetzt durch.
Endlich erreichten wir eine etwas breitere Straße, die hin und wieder von Autos befahren wurde. Als wir uns so in strömenden Regen voran kämpfen, hielt plötzlich kurz hinter der kleinen Ortschaft Hofen ein Auto an. Die Fahrerin fragte uns, ob wir Pilger wären, ob wir mitfahren möchten und wenn ja, wohin wir wollten. Ohne zu überlegen nahmen wir dieses unglaublich nette Angebot dankbar an. Sie war mit ihrem etwa 11-jährigen Sohn unterwegs. Leider müsse sie was erledigen, informierte sie uns, sonst hätte sie uns gerne zu sich auf eine Tasse heißen Tees eingeladen. Aber sie würde uns sehr gerne zum Landgasthof Sonne in Stötten am Auerberg bringen, wo wir die verbleibende Wartezeit im Warmen und vor allem im Trockenen verbringen könnten. Außerdem erzählte sie uns, sie selber sei mit Radl nach Santiago de Compostela gepilgert. Außerdem sei ein frisch pensionierter Stöttner in vier Monaten von Juni bis September zu Fuß nach Santiago gepilgert. Alle Achtung, sag ich nur!
Beim Sonnenwirt in Stötten am Auerberg genehmigten wir uns jeder ein Colaweizen. Hunger hatten wir keinen. In letzter Zeit überkamen mich allerdings Gelüste auf etwas Süßes. Kuchen wäre nicht schlecht, schlug ich dem Dominik vor, am besten für später zum Abendessen. Und so geschah es auch. Die freundliche Bedienung packte auf meine Bitte hin uns zwei Stück Pfirsich-Sahne-Torte transportsicher ein.
Bevor wir uns auf den Weg zu unserer heutigen Bleibe machten, statteten wir der St.-Peter-und-Paul-Kirche gegenüber dem Wirtshaus einen Besuch ab. Anschließend kauften wir in einem kleinen Laden noch Proviant für den morgigen Tag. Auch ein Vorrat an Taschentüchern und eine Tüte Halsbonbons gegen das leichte Halskratzen mussten mit. Der ältere Herr hinterm Tresen war sehr gesprächig und an uns interessiert. Später erfuhren wir von unserer Gastgeberin, dass der 70-jährige Theo eine echte Institution in der Gegend sei und darüber hinaus auch ein zuverlässiger Nachrichtenverteiler. Wehe, man stelle ihm eine Frage. Stundenlang könne er erzählen. Man säße fest, es gäbe kein Entkommen. Die immer länger werdende Schlange vor der Kasse sei für ihn kein Grund, sich kurz zu fassen. Leute gibt’s.
Die nette Schwäbin, bei der wir ein Privatzimmer beziehen konnten, lud uns sogleich auf eine Tasse heißen Tees in die Küche ein. Sie erzählte uns von ihrer Familie, der Ortschaft und eben auch vom Theo aus dem kleinen Laden. Es war ein sehr schöner Abend. Zum Schluss bot sie uns ein Öfele an, einen kleinen mobilen Heizkörper, wodurch wir unsere nasse Kleidung und die Schuhe in unserem Zimmer besser trocknen konnten. Wie nett ist das denn? Toll!
So wenig prickelnd die erste Tageshälfte auch war, so schön hat sich der Tag dann doch noch entwickelt. Das verdanken wir dem guten Willen netter und hilfsbereiter Menschen, die uns begegneten. Und der herrliche Pfirsich-Käse-Kuchen vom Stöttner Sonnenwirt zum Schluss rundete das Ganze auf seine süße Weise ab. Was will man mehr?
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